Tryptophanwege
Erstellt von r.ehlers am Dienstag 10. Februar 2015
Nach den unzählichen klugen Rückmeldungen und Fragen zu den Wirkungen der richtigen Ernährung, die mich erreichen, wundere ich mich gar nicht mehr, wenn jemand bis tief in den Kern der Materie eindringt. Die Post, die mich heute erreichte, betrifft die schwierige zentralnervöse Verfügung über die Aminosäure L-Tryptophan, den Hauptbaustein des Botenstoffes Serotonin:
-de.wikipedia.org-
Von: …Buechner [mailto:…@gmx.de]
Gesendet: Montag, 9. Februar 2015 21:09
An: re@essenspausen.com
Betreff: Blutzuckerspiegel
Hallo Herr Ehlers,
Wir haben schon zweimal telefoniert (Stichwort: …). Ich sitze gerade am PC und da kam mir ein Gedanke, deshalb heute einma per mail. 😉
Ich habe gerade ein Problem mit dem Verständnis um die Konkurrenz der Aminosäuren mit L-Tryptophan im Blutstrom.
Wenn nach einer Mahlzeit aufgrund von Insulin, die ganzen Nährstoffe in die Muskelzellen abgesaugt, bzw. bei zuviel Energieträgern in Fett umgewandelt werden ist das verständlich.L-Tryptophan hätte nun nach einer sehr langen Essenpause freie Bahn.Der Körper ist doch aber bestrebt, einen konstanten Blutzuckerspiegel zu halten, indem er bei langer Essenspause den Gegenspieler Glucagon ausschüttet, der in der Leber gespeichertes Glycogen in Glucose umwandelt und damit den Blutzuckerspiegel wieder anhebt, bzw. je nach Bedarf auch Fettsäuren zum Energiverbrauch freisetzt.
Jetzt kommt mein „Denkfehler“: Wie kann es sein, dass es überhaupt eine Zeit gibt in der L-Tryptophan „alleine“ im Blut vorkommt, wenn doch entweder durch Nahrung Aminosäuren ect. ins Blut kommen oder nach langer Essenspause durch Glucagon auch wieder Aminosäuren. Zucker, Fette aus den körpereigenen Speichern ins Blut gelangen um diesen Blutzuckerspiegel aufrechtzuerhalten.
Vielleicht können Sie mir auf die Sprünge helfen. Ich will es nur verstehen, denn funktionieren tuts ja auch. 🙂 gerne können Sie meine Frage auch auf Ihrer homepage zum Thema eines Eintrages machen.
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen verbleibend,
Büchner
Meine Antwort:
Hallo Herr Büchner,
ich habe kein überlegenes Wissen bezüglich der Verfügung über Tryptophan im Körper und im Gehirn. Ebenso wie Sie bin auch ich weiter auf der Suche nach der Vervollständigung des Mosaiks aus den bekannten Daten. Von den früheren Konstruktionen betreffend die Konkurrenz der diversen Aminosäuren an der Blut-Hirn-Schranke bin ich weitgehend abgekommen.
Vielleicht spielt sie aber doch noch eine gewisse Rolle. Dann aber ist damit zu rechnen, dass beim Verzehr proteinhaltiger Nahrung auf leeren Magen L-Tryptophan bald eine Einzelstellung im Blutkreislauf erhält, weil es als einzige Aminosäure dazu neigt die überall im Blutstrom schwimmenden Proteinbruchstücke, die Albumine, an sich zu binden. Dadurch sperrig geworden unterliegt es nach der alten Konkurrenztheorie den anderen „schlankeren“ Aminosäuren im Kampf um die Besetzung der Passagen bis ins Innere des Gehirns. Da es wegen seiner Sperrigkeit aber auch nicht in das Aufnahmemuster der Mitochondrien der Muskelzellen passt, bleibt es im Blutstrom die einzige in der Neoglukogenese zum Aufbau von ATP verfügbare Aminosäure. Sie denken darüber nach, ob dann nicht die einsetzende Nutzung der Kohlenhydrat- und Fettreserven des Körpers dazu führen könnten, dass überhaupt einmal die Konkurrenten von Tryptophan aufgebraucht werden und ihm eine Einzelstellung verschaffen könnten. Ich denke, dass es Zeiträume gibt, in denen tatsächlich alle Konkurrenten aus dem Blutstrom gefischt werden, bevor sich der Stoffwechsel ganz auf Fettverbrennung umschaltet. Allerdings lese ich, dass auch dann in begrenztem Umfang eine Verwertung von Aminosäuren zur Eergiegewinnung abläuft.
Wer vor neuer Nahrungsaufnahme den Magen frei werden lässt und damit auch den Nachschub an Kohlenhydraten beendet, hat Tryptophan im Blut und angesichts der Umschaltung des Stoffwechsels auf die Nutzung der körperlichen Energiespeicher auch wieder Glukose aus dem Glukagon der Leber sowie Fettsäuren aus den Fettzellen. Neue Aminosäuren kommen aber nicht auf den Plan, was Sie wohl zu befürchten scheinen. Aber woher sollten sie denn kommen? Außer dass die Körperzellen selbst eine gewisse Speicherkapazität für Aminosäuren haben, besitzt unser Körper keine Speicherplätze für die Aminosäuren. Und dass sie sich aus fernen Körperzellen auf den Weg ins Stammhirn machten, ist doch recht unwahrscheinlich.
Wenn über den Hypothalamus der Aufruf der Bausteine für Serotonin im Stammhirn erfolgt, wird natürlich insbesondere sein Hauptbaustein Tryptophan gefragt. Ich gehe heute davon aus, dass es sich dann nicht erst durch Körper und Gehirn an die Produktionsstätte in den Raphe-Kernen des Stammhirns bewegen muss, sondern dass es längst innerhalb der dortigen Drüsenzellen gespeichert ist. Botenstoffe werden in der Natur generell direkt nach der Anforderung aktiv. Nach meinen Erfahrungen und den vielen Informationen von Dritten bin ich sicher, dass das auch für Serotonin gilt. Woher sonst sollten sonst die frappierenden sofortigen Stimmungsverbesserungen direkt nach dem Verzehr nativer Kost/Aminas kommen?
Neue Forschungsergebnisse können das Gesamtbild wieder ändern. Aber da die serotonergen Wirkungen ganz regelmäßig eintreten, vermute ich, dass wir der Wahrheit schon recht nahe sind. Auf Ergebnisse aus der Wissenschaft können wir ohnehin lange warten. Erst müsste mal geklärt werden, wer noch was verdient, wenn der körpereigene Serotoninaufbau praktisch kostenfrei zu haben ist. Vielleicht treten einige Krankheiten – so sie denn auf dem Mangel an Serotonin beruhen – gar nicht mehr auf oder können die heute in Massen verschriebenen Psychopharmaka ganz oder zum Teil überflüssig machen …
Gern höre ich wieder von Ihnen.
Mit den besten Grüßen
Rolf Ehlers